mündl. Prüfung: Gefaktes Angebot

[simmerl]

Hallo,

ich durfte gestern zum ersten Mal die mündliche Prüfung von FISIs abnehmen, fand es sehr interessant.
Ein Vorfall war aber von der anderen Art:

Ein Prüfling hatte als Projektarbeit, einen Schulungsraum mit neuen PCs/Server auszustatten, was auch das Einholen von Angeboten einschließt.

Mir wäre es entgangen, aber ein anderer Prüfer bemerkte beim durchblättern der Arbeit, dass der Prüfling das „von FSC eingeholte Angebot“ gefälscht, sprich, selbst formuliert hatte. Nach einigem Nachbohren Prüfer- und Ausredensuchen Prüflingseits hatte er ihn so weit, dass er zähneknirschend zugab, dass er das „Angebot“ selbst getippt und ein Kollege eigentlich die ganze Bestellung getan hatte.

Er kassierte eine fünf für seine Prüfung. Da es mein erster Prüfungstag „von anderer Seite“ war, hielt ich mich an dieser Stelle zurück, aber dennoch ärgerte es mich, dass da jemand versuchte, den Prüfungsausschuss anzulügen. Wenns nach mir gegangen wäre, wäre er durchgefallen.

Heute morgen hatte ich den Vorfall in der Abteilung erzählt – meine Kollegen stellten sich alle auf die Seite des Prüflings. Deren Argumente waren
– „naja, wenn er es sauber gefälscht hätte“
– „…doch nur ein Angebot…“
– „…ist doch kein Grund, ihn gleich durchfallen zu lassen…“

Wir haben doch nicht etwa nur festgestellt, dass er vielleicht etwas wichtiges in der Doku vergessen oder übersehen hat, bzw. etwas falsches drinstehen hatte.
Er hat beschissen, gehört das nicht auch bestraft?

Wie seht Ihr das?

Würde mich sehr interessieren, danke,

Simmerl

[Hodata]

Hat er sich denn dazu äußern dürfen, warum er es getan hat?

[jth]

@simmerl 41734 wrote:

Er hat beschissen, gehört das nicht auch bestraft?

I. Im Prinzip schon. Eine 5 ist ziemlich hart. Wer sich damit bewerben muss, ist gestraft, sofern man damit überhaupt besteht, was ich aktuell nicht weiß. Durchfallen scheint erst einmal härter zu sein. Damit gibt man dem Kandidaten aber eine 2te Chance.
II. Gemogelt wird öfter, als dem Prüfungsausschuß recht ist. Man kann es meistens nicht beweisen. Ich bin selbst eine Zeit im Prüfungsausschuß für Medienoperater gewesen. Da hatten wir den Fall, dass eine abgegebene praktische Arbeit zu umfangreich ausfiel. Das konnte selbst ein schneller Kandidat nicht in der vorgegebenen Zeit schaffen. Wir haben die Files untersucht und einige hatten ein Datum vom Vortag (!). Das ist aber noch kein Beweis, der gerichtsfest wäre, da man bei einem PC die Systemzeit beliebig verstellen kann. Der Kandidat bestand, wobei dem Prüfungsausschuß dabei nicht wohl war.
III. Es tut immer weh, wenn man jemanden, der gut und fleißig gearbeitet hat, bestrafen muß – auch wenn er gemogelt hat, was ja auch eine Form der Arbeit ist. Selbst wenn man einen renitenten Deppen durchfallen läßt, ist einem immer noch nicht wohl dabei. Man gewöhnt sich nicht daran. Und das ist gut so.

[iche]

naja, das ist halt so eine sache… soweit ich unterrichtet bin sind gefakte projekte uso… weil es eben viele betriebe nicht gebacken kriegen, ihren azubis und ~bienen realisierbare projekte anzubieten-
die folge: die jungs und mädels arbeiten virtuelle projekte ab…
mich würde es wundern wenn von diesem „schulungsraum“ auch nur ein wort real ist… der schulungsraum ist doch geradezu der klassiker… man müsste vor solchen kaum noch treten können, soviele projekte der art wurden bisher durchgeführt… und wenn das so ist, dann müsste man eigentlich denbetrieb durchfallen lassen und nicht die arme suppe von stift, der sich vlt noch nen kopf gemacht hat… ist schwierig… und wenn er dir gleich die wahrheit gesagt hätte, hättet ihr ihn wegtreten lassen…müssen… das kannst du nicht wirklich verlangen…

Man umgebe mich mit Luxus, auf das Notwendige kann ich verzichten. (Oscar Wilde)

[muecke]

Ja, so ähnlich sehe ich das auch:
1. ist es sehr spät, während der Präsentation das zu entdecken, das hätte man eigentlich schon bei der Projektdoku sehen sollen und nach einer Erklärung fragen – die mündliche Prüfung hat wenig damit zu tun.
2. entweder war es ein reales Projekt, dann hat der Betrieb geschlampt, wenn er das zulässt, dass sich jemand Angebote ausdenkt. Oder das ganze Projekt ist nicht real umgesetzt, dann mangelt es dem Betrieb an Betreuung und Pflichtgefühl gegenüber dem Azubi.
3. Es ist für mich keine gute Lösung, eine fünf zu vergeben – entweder das ganze Projekt zurück und in Frage stellen und dem Betrieb aufs Dach steigen, oder wegen versuchtem Betrug durchgefallen (darf man dann noch mal versuchen? ) – das wäre aber die härteste Variante – oder beide Augen zu drücken – wenn der Rest stimmt.

[TschiTschi]

Ich sehe das wie Mücke!

Entweder Projekt zurück – und in 1/2 Jahr wieder mit neuer Doku (ggf. mit neuem Projekt) oder ganz normal bewerten. Diese Lösung ist angreifbar und würde IMHO vor einem Gericht gute Chancen haben, zurückgewiesen zu werden

Wobei ich wirklich nicht sehe, wo das Problem ist, wenn ein Kollege die Bestellung durchgeführt hat. Der Prüfling soll ja nur zeigen, dass er ein Projekt Planen und Überwachen kann. Dass et Angebote tippen kann, sollte wirklich keine Frage sein. Im Gegenteil: Der Prüfling hat das Ganze nur falsch verkauft. Hätte er geschrieben, dass der Kollege auf seine Anweisung hin die Angebote eingeholt hat, wäre das IMHO sogar ein Pluspunkt gewesen, weil er dann gezeigt hätte, dass er delegieren kann!

Anders wäre das vielleicht bei einem InfK gewesen. Aber für einen FISI sehe ich das nur als untergeordnete Aufgabe!

GG

[Autor]

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